Fernseh-Abend 2: Quarterback Scheck + Krömers Karasek

Denis Scheck wird als »Ihr Quarterback!« in der Bücher-Arena namens druckfrischangekündigt, und brummbrumm, quietschquietsch, da wird er hinter einer Laderampe per Hebebühne ins Bild gehoben: »Kann man aus der Literatur etwas fürs Leben lernen? – Aber jaaa!«

Hoffnung naht, sie naht in Gestalt von Peter von Matt und seiner Sammlung »Die Intrige«. Das ist schön und bildend, und da ist der zweite Kandidat der Sendung gelungenes Gegenteil, in jedem Sinne: Franz Xaver Kroetz.

Kroetz gibt den B(ildungsb)ügerschreck, wirft sich weit über die Lehne seines Sesselchens hinaus im Furioso seiner Empörung darüber, daß wir alle von den Medien korrumpiert sind, »Blut und Bier« heißt sein Buch mit »15 ungewaschenen Stories«, was das sei fragt Scheck, seien einfach nur »hingeschrieben«, ohne sie nachher noch zu bearbeiten, entgegnet Kroetz, hingeschrieben und ins Kuvert gesteckt an den Verlag, nix mehr dran gemacht, aha, ob es also um »das Authentische« gehe, keine Antwort, stattdessen »so beschissen, wie sie sind« seien diese Geschichten an den Verlag gegangen, welche Bedeutung denn das Authentische habe, will der Quarterback wissen, aber zu erfahren ist nur, daß »man damals auf Reise, also mit Reiseschreibmaschine« gewesen sei, »es war wunderschön«, besinnt sich der Libero Kroetz, den Kitsch übergeht Scheck, fragt nach, also im Urlaub sei das geschrieben worden, was dann nicht mehr überarbeitet worden sei, Urlaub und keine Arbeit mehr am Text, ob Kroetz denn die Arbeit am Text nicht genießen könne, da wird Kroetz nun ganz ungehalten, fast kippt der Sessel im Aufschrei »Schreiben ist Quälerei« und «Ich verachte jeden, der beim Schreiben … erfrischt ist« und bläht sich weiter künstlich auf, wer was leiste, sei immer gequält, Blut und Schweiß und Dosenbier.

Die erfrischende Bildregie der Sendung (mit Feuerlöscher in jeder Einstellung) führt Kroetz in imposanter Weise noch besser vor, als der das schauspielernd (da wird es eingeblendet, daß er in »Kir Royal« eine Rolle gespielt habe) selbst vermöchte: Hart hin und her geschnitten zwischen verschiedenen Interview-Abschnitten springt das Bild des Herrn Kroetz wild vom sich abwägend gebenden Kommentator und Sentimentalisten an den 60er- und 70er-Jahre-Erinnerungen einerseits und dem unmotiviert Tobenden andererseits. Der Mann wirkt übergeschnappt durch diese Bildregie, »Alle laufen wir mit in Richtung Quote«, wettert er eben, »Genau darüber will ich mit Ihnen reden«, versucht Scheck ins Gespräch zu finden, »Der Applaus ist wichtig geworden«, befindet Kroetz, aha, »damals war er uns scheißegal«, Schnitt, »Subvention« ist das nächste, das Herrn Kroetz plagt, eine einzige Hofburgaufregung.
Scheck konstatiert eine mediale Vielfalt, »nur nicht in den Hauptkanälen«, fügt er an, der Feuerlöscher im Hintergrund des ARD-Studios wird noch ein bißchen röter, »Volksverdummung« tost Kroetz, da hat er recht, ich wüßte aber wirklich nicht, wie mich entscheiden, stünde ich vor der Programmwahl zwischen einem noch längeren Interview mit ihm und einer Container-Staffel. Dieses Echauffieren ist entsetzlich, das dann – dank Schnittechnik genußreich gesteigert – mit einem kroetzigen »Vielen Dank, es war sehr angenehm« nicht nachvollziehbar endet.

Interruptus, der Quarterback als Buchhändler, einer der Giga-Etagen-Läden des Handels mit dem Buch, das gibt dem bildgestaltenden Kameramann Raum, läßt aparte, Buch einkaufende Damen einfangen, denen der Spielmacher die rechte Lektüre anempfiehlt: Calvino, Ulrike Draesner anno 1972, Krimi von Ruth Rendell für einen Rechtsanwalt.

Jetzt in die Champions-League: Salman Rushdie ist zu Besuch im mit Kerzen und Feuerlöscher geschmückten Studio.

Die Mode des Minimalismus in der BRD habe man nun über – und Rushdie ist ja auch ein »Maximalist«. Schöne Setzung für das etwas abgewetzte Wort »Erzähler«! Entweder man befasse sich mit einer Strähne aus dem Schopf der Göttin, so Joe Montana, oder der ganze Olymp werde ins Bild gepackt – naja, dieser Polarisierung hätte der empfohlene Calvino einiges entgegen bzw. eben zwischen zu setzen, und nicht das Magerste!

»Shalimar, der Narr« habe ihn in die Schwierigkeit gebracht, erzählt Rushdie, in solche Welten »hineinzusteigen«, wie die des Terrorismus eine sei. Davor, das zu vermitteln, hätte er sich fast gedrückt, da er sich lange Zeit nicht in diese Denkhaltung habe hineinversetzen wollen. – Es geht um die Grundthesen des islamischen Terrorismus, Rushdie ist sehr minutiös in seinen Formulierungen, die leider mehrfach in der Übersetzung plakativ plattgemacht werden, wenn beispielsweise das abwägende Wort »Reeducation« als eindeutige »Hirnwäsche« übersetzt wird. Später wird aus einem »tyrant of a foreign power« ziemlich simplifizierend ein »ausländischer Tyrann«. Da hätte die Übersetzung sich an der Ausgefeiltheit der Bildregie ein Beispiel nehmen dürfen. – Der islamische Konservativismus sei sein Thema, der die Frauen wegschließe, aus Angst vor ihnen. Und Rushdie wird ganz deutlich, »die müssen Nein sagen«, denn solange diese 50 Prozent der islamischen Welt nicht aufstünden, mache der Islamismus der Welt zu schaffen.

Keine Metaphern bei Rushdie, wenn es im Gespräch ums Politische geht: Sein Buch habe ihm zwar die Fatwa von 1989 eingebracht, es habe ihn aber durch seinen Erfolg auch gerettet, gibt Denis Scheck in kräftigem medialem Selbstbewußtsein vor, worauf Rushdie: Nein, zunächst haben Polizisten ihn gerettet – dann das Buch!

Abschließend das beliebte Bücherfleddern auf der Paketrollanlage eines Buchgrossisten, Arno Geiger und seinem »Es geht uns gut« geht es nicht gut, Ken Follett wird in den Stapel der Nicht-Entsorgten gestapelt, für »Glennkill« von Leonie Swann hat Scheck schon öfters seine Lanze gebrochen, so auch hier und jetzt, Francois Lelord erinnert Scheck an die verhaßte Stimme von Elmar Guntsch, also in den Kübel damit, Harry Potter Nr. 6 findet Gnade, Daniel Kehlmann hat Schwein, obwohl es ein Roman mit Schweinchen-Schlau-Komik sei …

Witzig ist an der inszenierten Bücher-Entsorgung ihre scheinheilige Umkehrung: Die Bücher, die Scheck dem Orkus anheimgeben will, indem er sie achtlos, nein, halt, das eben schon nicht, denn man will sie ja rollen, rutschen, stürzen sehen! – also: schnöde in einen Bücherkorb fahren läßt, diese mißratenen Machwerke werden in solch einem Bücherkorb für gewöhnlich nicht in die Mülltonne getragen, sondern im Gegenteil: sie werden ausgeliefert, in die Buchhandlungen geschafft, verkauft, an den Leser gebracht – während die von Scheck aufgestapelten Exemplare wie verschwunden und geschluckt sind unter Schecks Ärmel. – Ulkig, wie da das Bild schlauer ist als die beachsichtigte Metapher und en passant die Marktverhältnisse illustriert.

Soll ich jetzt zugeben,

daß ich im Anschluß, der Grippe geschuldet, die Kurt Krömer-Show angesehen habe? Jaaa! Hat man schon einmal so schön jemanden sich vorführen lassen, wie es hier Herrn Helmut Karasek gelungen ist? Neiiiiiin.

Klar ist es gemein, wenn man von einem perfekt auf Non-Sense ausgerichteten Rhetor, der Krömer unter allem puren Blödsinn ist, aufs Tablett gesetzt wird. Da hat einer schon beim Antritt verloren. Aber eine so schlechte Figur hat noch selten jemand gemacht, ein Drittklässler, dem man den dekorativ in der Brusttasche steckenden Bleistift herauszieht, nach dem Karasek dann 7-fach schnappt, wenn er ihn hingehalten und weggezogen und hingehalten und weggezogen und hingehalten und weggezogen bekommt von Krömer, dessen diebische Freude einem da durchaus schon zuviel werden kann vor Mitleid mit dem armen schweißtriefenden Kritikgewaltigen.

Dieses Setting muß Karasek böse ungeheuer sein. Aber warum begibt er sich auf dieses Parkett, auf dem er Sätze wie diesen über das (wirklich aller-) letzte Literarische Quartett und seine Besetzung losläßt: »Wir sind so alt zusammen wie Schiller schon tot ist.« – ist das bloß Eitelkeit? Jugendlichkeitswahn? Zwanghafte Medienpräsenz?

»Du Arsch« entfährt Krömer einmal; das sei nicht sein Vokabular – er sage da »Du ArschLOCH« ist das Schwungigste an Karasek’scher Schlagfertigkeit, und da bekommt er vom Hauspublikum einen Lacher geschenkt und strahlt wie der Bub an Weihnachten.

»Was ist Ihr Lieblingsbuch?« fragt Krömer.

»Das wechselt …« besondert sich Karasek, was zur glatten Steilvorlage gereicht:

»Ach! Wer ist denn der Autor?«

Über dem Johlen des Publikums weiß sich der Herr K. nur mit einem mokanten: »Sagen Sie doch mal, welche Autoren Sie kennen …« retten kann.

»Ein großer Applaus für Herrn Pinocchio!«
Aronerd (Gast) - 7. Feb, 23:30

Die eigentliche Comedy ...

... findet wo anders statt: Heidenreich, heute Abend, nix zu zu sagen?

Gouvernanten-Plausch. Die Zeiten, da Frau H. ein Buch hochriß und krisch: "Wunderbar!" waren ja fast "wunderbar" gegenüber diesem Schmus mit Freundinnen und Freunen, der großen Millottisch-Familie.

Außerdem: wo sind denn die Gedichteinsendungen geblieben, die dieser Blog angekündigt hat und öffentlich verhandeln wollte? Ist das ein Verlagskonzept oder Publikationsplan gekippt?

Respekt aber vor der Frechheit, als Verleger den Kritikermächtigen ein Auge entgegen zu halten! Weiter so!

Dielmann (Gast) - 7. Feb, 23:37

JA

Mir fällt dazu nichts ein. Treichel ist ein Autor, ja, Updike ist vielleicht ein großer Autor, ja, Ann Tyler ist so etwas wie eine große Autorin, ja, Heine ist ein großer Autor, ja, Brandt war ein beeindruckender Politiker, ja, Frau Heidenreich ist gouvernantenhaft, ja, die Sendung fand heute Abend statt, ja …
Stephan.burgert (Gast) - 8. Feb, 00:00

da überseht ihr

aber etwas, nämlich daß wir hier einer art von ALDI-sierung der literatur und ihrer sendungen ausgesetzt werden: das ist eine verramschung und qualitätsabsage wie bei billigstwaren und no-name-produkten, wenn der krötz, den man mal für eine hoffnung auf durchbrechung von konventionen gern ansehen konnte, unbearbeitete texte an einen verlag geben kann und der ihn druckt, weil halt krötz ein irgendwie bekannter name ist, so bekannt jedenfalls gerade mal, daß er von denis scheck druckfrisch gefunden wird, und wenn elke heidenreich einfach nur ihre erweiterte familie einladen darf auf die mattscheiben des landes und expertise darin besteht, daß jemand die tochter von einem anderen ist, der schon eh berühmt war, und das alles schon als literaturempfehlung durchgeht, dann ist es einfach schluß mit einem öffentlichen diskurs über das, was literatur ist, was lohnt zu lesen, was was vermittelt, und dann bietet bitteschön der autor ITALO CALVINO eine feine einfache lösung an, und damit mal endlich zu text: >entspanne dich. sammle dich. schieb jeden anderen gedanken beiseite. lass deine umwelt im ungewissen verschwimmen. mach lieber die tür zu, drüben läuft immer das fernsehen. sag es den anderen gleich: "nein, ich will nicht fernsehen!". heb die Stimme, sonst hören sie´s nicht: "ich lese! ich will nicht gestört werdne!" vielleicht haben sie´s nicht gehört bei all dem krach; sag´s noch lauter, schrei: "ich fange gerade an, den neuen toman von italo calvino zu lesen!" oder sag´s auch nicht, wenn du nicht willst<

Mark Tolmer (Gast) - 13. Feb, 19:24

Wo

bleibt denn etwas Erbauliches zu Bayerns 3 LESEZEICHEN? Und zum letzten LITERATUR IM FOYER aus Richtung Südwest 3?

Oder hat der Herr Pinocchio schon zurückgeschlagen oder der Herr Scheck die Page gecheckt oder Frau Elke H. die TV-Heiden reich gemacht oder Frau Dorn einen solchen ausgefahren?

Fortsetzung erwünscht, Gruß aus P.

milik (Gast) - 9. Nov, 19:46

super sache das

hey, total lebendiger weblog - und überfordert trotzdem nicht durch dreimaltägliche aktualisierung. ich schaue ca. 2010 wieder vorbei, dann ist sicher der nächste beitrag schon online ...


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