Thea Dorn und Denis Scheck, Fernseh-Abend

Ist es Verletzung professioneller Sorgfaltspflicht im Verlag, über ein Jahr lang die TV-Bücher-Beschwatzungen in der Nachfolge von »Bücher Bücher« und Literarischem Quartett nicht anzusehen? Hat neulich unser neuer Autor Rainer Schneider gefragt. Sorge! Aber ich kann mich rausreden:

Nein, Selbstschutz ist es und Verteidigung der Kriterien für das, was einem lieb und wichtig ist!

Nun sind mir allerdings entlang einem Grippewochenende gleich zwei Bücher-Sendungen untergekommen, die ihr Interessantes hatten: Thea Dorn, deren »Literatur im Foyer« (SW 3) André Schwarz auf einem Video im Verlag deponiert hatte, Aufzeichnung mit wer weiß welcher Motivation vom vorvergangenen Freitag, und Denis Scheck, direkt gesehen am gestrigen Sonntag in »druckfrisch« (ARD).

Anmoderierende Späße scheinen üblich bis nötig geworden zu sein: über die »kleine Nachtmusik« als Opener für große Bücher zu Mozart bei Dorn (»Mozart selbst ist leider verhindert«) und »Ihr Quarterback!« in der Bücher-Arena bezüglich Scheck – darüber lieber schnell hinweghören und -sehen. Derlei scheint des Büchermenschen Ersatz zu sein für das, was einem in Radiosendungen als immerwährender Jingle um die Ohren gehauen wird und hier wohl zu einer Art »Markenentwicklung für Kulturkritiker« eingesetzt wird. Na gut, weiter.

Auch der erste Gesprächsblock von Thea Dorn mit zwei Professoren, die Mozart-Theoretisches geschrieben haben, ist eher zum Ausschalten: Die beiden sitzen wie die zwei Alten aus der Muppetshow neben einander, dozieren über ihre Ansätze, sich Mozart zu nähern, Mozart als Um-Erfinder der Liebe sieht der eine, als Ägyptologe nähert sich der andere, professorale Legitimationsgesten allenthalben, kein Gespür unterdessen dafür, wie man Zuhörer, gar -schauer von seiner Sache begeistern könnte.

»Es gibt eine ausgeprägte Liebes-Forschung in der Germanistik, von der die Musikwissenschaftler nicht so viel wissen« führt der eine aus, »… ein großes Rätselwerk durch die Kulturgeschichte … bis zu mir!« über sein Wolferl der andere zu »labeln« (der es schafft, rund 10 Mal fetischhaft zu betonen »: ich … als Ägyptologe!«).

Dann kommt Fleisch in die Suppe. Th. Dorn liest aus einem Mozart-Brief (an dessen Vater, geschrieben 1778), den der erste Prof. seinem Buch als Motto vorangestellt hat, und man möchte umgehend diese Briefe selbst vornehmen oder zu Norbert Elias’ »Mozart«-Buch greifen – anstatt sich anhören zu müssen, daß man diesen Brief »bei einmaligem Hören gar nicht verstehen« könne – und da gesellt sich dem akademischen Dünkel rasch die Gewißheit bei: »So schnell ist das Publikum nicht.« – Danke!

Schade, es kommt zwischenhin eine Gedankenkette über Mozarts Freimaurerei-nahen Umgang mit Religion auf, es werden »Unterirdische Wissensspeicher« in Ägypten angetickt, »rasende Weiber« schweben den Herren aus Heidelberg mit einem verschämt tuenden Päuschen vor, ein »Umschlag der Aufklärung … in Despotismus« gar klingt an, weia – aber da verkauft sich Thea Dorn selbst als »rasendes Weib«, nämlich am Studiowecker, und muß, leider, leider, hier abbrechen …

Bemühte Gagigkeit der WDR-Bestenliste folgt – Menschen schauen in Bücher, aus denen der Autoren Portraitfotos rutschen. Ist das bildgerechte Vermittlung von Literatur? Sicher nicht! Die Blurbs, die da den einzelnen Büchern angedichtet und aneinandergereiht werden, sind schnell vergessen, hinterlassen keinen Eindruck. – Und so geht’s weiter zum Thema »Tod« und dem zweiten Talk-Block der Thea Dorn.

Wird sie, frage ich mich, auch in dieser Gesprächsrunde wieder die Augenbrauen zusammenziehen zu ihren meist recht rhetorischen Fragen und Einlassungen? Eine Mimik, die den Jargon der Uneigentlichkeit telegen macht, aber der »Selbstvermittlung« der Professoren den Gnadenstoß gegeben hat …

Die Einleitung, die Legitimation des Gesprächs über zwei Bücher, in denen es ums Sterben geht, ist unsäglich: »Tod kommt in der Literatur selten vor!« bekommen wir geheadlined. Wie bitte?

Braucht ein (spätnachtsöffentliches) Gespräch über Bücher wirklich in solchem Ausmaße Rechtfertigung, daß man so tun muß, als habe man endlich ein letztes Menschheitsthema aufgestöbert? … das nie dagewesen ist? … jetzt haben wir’s für Euch, die Literatur hat den Tod entdeckt? – Eine absurde Bewegung. (Und über die Legitimationsbewegungen an dieser Vermittlung von Literatur wird noch viel nachzudenken sein!)

Angetreten sind bzw. werden Nicola Bardola mit seinem Roman »Schlemm«, im schätzenswerten A1 Verlag München erschienen, und Björn Kern mit seinem Roman »Einmal noch Marseille«, beim nicht weniger geschätzten Verlag C.H.Beck erschienen.

Dieses Gespräch mutet bisweilen wie eine Werbeveranstaltung zu Vereinen für Sterbehilfe an. Bardola wirft sich ins Zeug, stilisiert sich als der Typus des aufklärerischen Autors, der ein Thema gegen das große Verschweigen verteidigt durch erzählende Öffentlichmachung, »… weniger Tabu, mehr offen sprechen« ist seine Devise: Von einem über 70jährigen Ehepaar erzählt sein Roman, der alte Ehemann hat Krebs, gemeinsam beschließen die zwei alten Leute ihren Freitod. Es hat aber etwas Albernes, wenn ein nach rund 45 Jahren Lebensalter aussehender Mensch sich »Alte« als »in Würde abschließend«e vorstellt und in den Roman rückt. Wäre da nicht die Frage der Perspektivik, der Erzählerposition zu klären gewesen? Wäre danach nicht zu fragen gewesen »im Foyer«?

Björn Kern, dessen Jugend im Gespräch immer wieder hervorgehoben wird wie ein Wunder (vor dem Hintergrund der Überalterung unserer Gesellschaft?), spricht in einer ruhigen Anteilnahme, die mir gefällt. Das mag am Zivildienst liegen, den er in einem Heim für alte Menschen absolviert habe und von dem er bewegend, aber ohne (Selbst-) Stilisierung spricht. Während »… die Kunst des Sterbens uns abhanden gekommen ist« bei Bardola und eine »Pädagogik des Sterbens, die wir vielleicht bräuchten …« erwartet wird, beginnt mich der Roman »Einmal noch Marseille« zu interessieren, in dem eine todkranke Frau aus der begleitenden Sicht ihres Sohnen gegen ihren Tod »kämpft bis zum bittersten Ende«. Die nicht »gehen will« – und die Metaphern des Sterbens häufen sich teilweise ins Kitschigste: da sitzt das Tabu, in den Formen des Sprechens! –, sondern ihre »letzten Male« auskosten möchte: die letzte Reise, die letzte Mahlzeit, die letzte selbständige Entscheidung. Björn Kern hat seine Figuren lange bedacht, scheint es, ihre Sehnsüchte, während Bardola ein Thema verkauft, nicht unsympathisch, nein, aber beim Thema bleibt, statt zu seinem Erzählen zu kommen im Gespräch.

Auffällig diese Paradigmenverschiebung: High-Tech-Medizin ist hier eine Art Teufel, der das Leben verlängert. Ich empfinde das letztlich auch so. Aber der nochmalige Aufschwung von Bardola zur Forderung nach freundlich hilfsbreiten »Sterbeämtern« (ich empfehle zur Austreibung solcher Visionarität am »Todgehen« den Besuch eines Lebendenamtes namens »Einwohnermeldeamt«, das wird ihn kurieren) bringt mich an den Anfang der Sendung zurück: Tod und Tote und Sterbende gibt es in der Literatur nun wirklich die Mengen, die muß mir die »Literatur im Foyer« nicht nachwerfen als kulturkritisches Sonderangebot – und da ist auch fast die Sendung zu Ende.

Thea Dorn, wieder mit den Augenbrauen im Kurzschluß über der Nasenwurzel vor lauter »Ich frag’ jetzt mal klug!«, bringt es nun ihrerseits auf den Punkt:

»Haben Sie denn einen Patientenausweis?« – Also für mich ist der Fall klar, sagte Kommissar Freitag abschließend immer in der Lieblingskrimiserie meiner Kindheit, und hängte an: »Und für Sie?«

Dann der »Quarterback«, der Joe Montana am Buch: Denis Scheck, in Echtzeit auf meinem Fernsehschirm … (Vor diesem Bookball-Match muß ich eine Pause einlegen!)
Koboldbuch (Gast) - 7. Feb, 09:40

Quarterback + Naseweis

Wo bleibt den nun der Jow-Denis Montana-Scheck? Den hab ich nicht gesehen, anders als Madame Dorn, die ich auch genossen hab: Mannomann, da wurde aufgefahren, "20000 Mozart-Bücher weltweit" müssen es schon sein, damit man drüber öffentlich-rechtlich spricht, und dann das Gehabe von großer Gelehrten Freundschaft zwischen Professores Assmann und Borchmeier, die sich ja ach so "befruchten" (huch) und dann doch nicht wußten, daß ihre beiden Bücher absolut denselben Umschlag bekamen (muß an der Zauberflöte gelegen haben), nur die spitzfindige Frau Dorn kommt drauf, daß wenigstens im Impressum die beiden Titelbilder verschieden sind – weil der eine Verlag offenbar die falsche, wenigstens abweichende Jahreszahl für das Bildlein angibt. – Heidelberg träumt noch den süßen Schlaf der Romantik? An dieses Serail, werter Herr D., könnte man schon etwas kräftiger rangehen, an dieses bärtige Geraune, das dem Zuschauer sagt, wie blöd er doch zu sein hat – so blöd, daß er sich im zweiten Teil "im Foyer" auch noch vorrechnen lassen darf, für seine möglihce Zukunft: Wenn man eine Woche lang alle "Intensiven" auf den hochtechnisierten Intensivstationen des Landes "abschalten" würde, dann wäre das gesamte Gesundheitssystem saniert! – Na prosit, auf gute Gesundheit!


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