Literatur im Netz

Doch noch einmal genauer die Podiumsveranstaltung im Handelsblatt von gestern erwägen, die ich erschreckend unkonzentriert fand. Oder doch nicht?

Auf den Hinweis des Podiumsteilnehmers Don Alphonso http://www.blogbar.de, die Bloggenden als „Mikromedien“ würden die klassischen Medien (-strukturen) auflösen, gab es keine wirkliche Reaktion oder Position. Daß im Weblog-Journalismus »news« durch so etwas wie »Anregungen« ersetzt würden, keine Reaktion. Daß Blogs quasi »Persönlichkeiten« seien oder sein müßten, wollen sie denn eine gewisse Wiedererkennbarkeit, Trag- (zugegeben, heißt dann auch: Reich-) weite und Lebensdauer haben, gab es keine wirkliche Einlassung. Welche Radikalität des Kommunizierens und Marktbegriffs entsteht, wenn die Forderung »Wenn ein Unternehmen bloggt, dann muß es ALL seine Kommunikation via Bloggen machen«, das wurde gar nicht erst aufgegriffen. Die aus dem Publikum kommende Verknüpfung »Bloggen und Literatur«, wiewohl ziemlich naiv und beinahe kitschig sentimental vorgebracht, hat offenbar keinen weiteren Gedanken über »Fiktionalität vs. Faktizität« angestoßen.

Gerade hinsichtlich der Aspekte Literarizität (im Sinne von Fiktion) und »Persönlichkeit« (solcher »Phänomene« wie Blogs – oder »Figuren«) wäre da viel drin gewesen.

Grundlegend überraschend war in jedem Falle, die im Publikum (das vor allem aus Medien- und PR-, Marketing- und Werbe-Agentur-Leuten bestand) vorhandene Unkenntnis der Blog-Welt – und auf dem Podium konnte teils nicht mal das hippe englische Wörtlein dazu ohne gebrochene Zunge rausgebracht werden. Erstaunlich!

Erschreckend jedenfalls in der Konstellation, wenn die anwesenden 120 Zuhörenden, die sich einbilden, Marktbildner (für Agenturkunden und Leser) zu sein, so lämmerunbedarft sind, während bei den auf dem Podium vertretenen Groß-Institutionen am (Meinungs-) Markt Google, Yahoo und Burda, man möchte fast fürchten: konzentriert, geschwiegen wird.

Was hat das alles mit Literatur zu tun? – Imposant vor einigen Wochen das Manuskript-Angebot einer jungen Autorin, die einen »Fantasy-Roman« anbot. Gar nicht mal schlecht, aber höchstens in einigen wenigen Exemplaren verkaufbar ohne mehrköpfige Abteilung für »Jugend-Marketing« – und auf diesen Umstand hingewiesen, sagte sie, daß Buch sei ja auch eher für sie selbst gedacht, »weil's schöner ist«, während sie via eigenem Blog ihre »fanstastischen Erzähl-Fortsetzungen« in beachtlichen Kontaktzahlen an Leser bringt.

Jetzt aber mal wieder was arbeiten – LITERATUR an Leute bringen!
Koboldbuch (Gast) - 12. Jan, 14:13

Da geht der Begriff Literatur ja ziemlich weit

wenn in dieser Veranstaltung schon Marketingler von Literatur sprechen. – Entsprechend ist kräftig abzuwägen, ob unter diesen Voraussetzungen Manuskripte überhaupt via blogs zu bewegen sind, oder nicht vielleicht sogar ganz da wieder raus sollten!

ClaireGollDich (Gast) - 12. Jan, 14:33

Der Begriff muß noch viel weiter werden!

Warum denn gleich, Herr aus dem Koboldbuch, so kategorisch? Ich fand die Idee ganz verlocken, sogar gleich auszuprobieren –Was meint denn der Verlag Dielmann dazu –klassisches Expose mitschicken, Textprobe aus 20 Seiten, Autorenvita dabeipacken? Tja, >die Geister, die ich rief<, oder wie? –Außerdem wollte ich fragen, wo denn was über die Veranstalter dieser Podkumsdiskussion zu finden ist im Web. Bei dem Handelsblatt kein Hinweis –können Sie mir da etwas linken? –Wer war der Veranstalter? –Vielen Dank schon mal im voraus für einen Hinweis.
akb (Gast) - 12. Jan, 23:01

Literatur im Internet/als Blog

Ganz neu ist der Gedanke ja nicht, die Literatur und deren Genese ins Netz zu verlegen, Rainald Goetz hat das bereits 1998, also noch in der "Steinzeit der digitalen Welt" versucht. Ein Jahr öffentlich leben, jeden Tag einen Kommentar ins Netz stellen, eine irrsinnige Idee, die sich mit Fortschreiten der Zeit als abwegig herausstellt. Folge ist eine Selbstzensur.
Und was die Idee einer vollkommen offenen Kommunikation des bloggenden Unternehmens angeht, so sollte man den utopischen Gehalt einer solchen Idee bedenken, siehe Selbstzensur.
Aber nochmals zu Goetz, der den Gedanken der Selbstdarstellung in seinen Poetikvorlesungen aufgriff: Jeder, der seine Texte öffenlich macht, zeichnet ein bestimmtes Bild, das nicht nur von einem selbst, sondern sehr wohl auch von Rezipientenkreis bestimmt wird...

Dielmann (Gast) - 14. Jan, 19:05

Clairegolldich: Veranstalter + Manuskriptversand

Die Podiumsdiskussion vom Mittwoch wurde von M2 Medienmittwoch, einer Initiative verschiedener Frankfurter Medienleute und -firmen, die unter http://www.medienmittwoch.de zu finden sind veranstaltet. Eine spannende Reihe, an sich.

http://weblog.wanhoff.de gibt viele Gesprächsauszüge wider.

So, jetzt aber zur Sache, also der LITERATURbezogenen Frage: Wie sieht ein Manuskript-Angebot via Weblog aus? Was gehört dazu? Was muß rein, was draußenbleiben? – Alles Fragen, die wir zu klären haben – by doing. Denn ich sehe nirgends dergleichen. Was seine Gründe haben mag: In der ohnehinnigen Überlastung der Verlagskollegen durch die rund 20 Manuskripte, die man pro einzelnem publiziertem Titel im Jahr zugeschickt bekommt (was bei uneren 15 Titeln pro Jahr gut 300 bis 400 Manuskripte bedeutet – wohlgemerkt: unverlangt!); in der Sorge, via Weblog-Kommunikation über Manuskriptzusendungen die Flut noch zu schüren; in der zu fürchtenden Langeweile, die daraus entstünde, würde man die ganze standardisierten Absagebriefe öffentlich machen, also einen nach dem anderen hinter die angebotenen Manuskripte in den Blog zu stellen. Nee, keine schöne Vorstellung! – Andererseits:

Verlockend ist die ganze von Herrn Koboldbuch angeregte Idee schon: So, wie Sie nun nach den Modalitäten fragen, stellt sich eine ganze Ästhetik der Kommunikation über Literarisches (und sei es auch – möglicherweise – mediokres, epigonales, mäßiges etc. – an Texten) in Frage. Und auch das Antworten darauf käme zu einer neuen Form: Denn wenn literarisch ambitionierte Blogger oder gar Blog-Literaten hinreichend oft Absage-Argumente gelesen haben, werden sie doch irgendwann kapieren, welche Kriterien und Meßlatten an Texte, auch ihre eigenen, angelegt werden können. Jedenfalls, wenn diese Text gedruckt werden sollen – im Netz ist ja Platz genug auch ohne Lektorate und Programm-Macher ...

Was also, liebe Clairegolldich, werden Sie schicken? Wie wollen Sie's verpacken in ihrem nächsten Beitrag? Womit werden Sie Ihre Text flankieren? Werden Sie dem schweigsam gewordenen Herrn Koboldbuch gar zuvor kommen mit einem ersten weblog-öffentlichen Manuskript-Angebot? – Fragen über Fragen, und wir seh'n betroffen: / die Fragenden zu / und der Vorhang offen!


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