Freitag, 12. Februar 2010

Seltsame s um NTA

Neugierig bleiben - das ist ein sehr guter Slogan, sehr geehrter Herr Dielmann. Neugierig sind wir nun auch, ob die groß angekündigte Neue Textausgabe Richard Wagner nun endlich erscheinen wird? Und wann? Und zu welchem Zeitpunkt wir als Kommanditisten, sprich Geldgeber, darüber informiert werden? Oder sollte das Geld schon für andere Projekt ausgegeben sein? Denn Geschäftsabrechnungen haben wir auch noch keine bekommen, obwohl schon zwei Geschäftsjahre ins Land gegangen sind. Diese sehr seltsame Verlagspolitik würden wir schon ganz gerne durchschauen und endlich auch einmal über die Geschäftsentwicklung der NTA informiert werden.

Dienstag, 24. Februar 2009

Suhrkamp(f)

Das medial verstärkte Geklingele um den Wegzug des Suhrkamp Verlages aus Frankfurt nach Berlin ist absurd und führt vor, wie wenig die Buch-Verlage den professionellen Umgang mit kommunikativen Situationen gelernt haben: Da kommt immer wieder was raus, anstatt etwas gemeldet würde; da fliegt mehr auf, als daß offengelegt würde; da wird mehr herausgekitzelt als herausgegeben; da wird gedröhnt, ohne das miteinander gesprochen würde. Schade. Und das beschädigt das Prinzip Verlag und das Medium Buch sehr im Ansehen des Publikums. – Daß der Verlag selbst, nach den Beteuerungen, die eigentliche Wiege von Suhrkamp habe in Berlin gestanden, während doch offenbar ist, daß die offizielle Gründung in Frankfurt eingetragen ist, nicht so recht zu wissen scheint, wo er entstanden ist, setzt noch eins drauf. Traditionsreiche Buch-Verlage, die mit dem Buch DAS Gedächtnis-Medium zu besitzen und hochzuhalten immer wieder beschworen und damit das Buch gegen alle anderen Medien und ihre Vorzüge verteidigten, werden unsicher über ihrer eigenen Geschichte. – Da wird es schwierig werden, zukünftig die Lanze für das Menschheitsgedächtnis Buch zu brechen.
http://www.boersenblatt.net/307498/
Aber ich ziehe mich an meiner eigenen Nase – und versuche zusammen mit André Schwarz meine neue Verlags-Website endlich ans Netz zu bringen, damit die Kommunikation nicht einrostet und das Gedächtnis nicht als alter Zopf daherkommt.
AD

Dienstag, 7. Februar 2006

Fernseh-Abend 2: Quarterback Scheck + Krömers Karasek

Denis Scheck wird als »Ihr Quarterback!« in der Bücher-Arena namens druckfrischangekündigt, und brummbrumm, quietschquietsch, da wird er hinter einer Laderampe per Hebebühne ins Bild gehoben: »Kann man aus der Literatur etwas fürs Leben lernen? – Aber jaaa!«

Hoffnung naht, sie naht in Gestalt von Peter von Matt und seiner Sammlung »Die Intrige«. Das ist schön und bildend, und da ist der zweite Kandidat der Sendung gelungenes Gegenteil, in jedem Sinne: Franz Xaver Kroetz.

Kroetz gibt den B(ildungsb)ügerschreck, wirft sich weit über die Lehne seines Sesselchens hinaus im Furioso seiner Empörung darüber, daß wir alle von den Medien korrumpiert sind, »Blut und Bier« heißt sein Buch mit »15 ungewaschenen Stories«, was das sei fragt Scheck, seien einfach nur »hingeschrieben«, ohne sie nachher noch zu bearbeiten, entgegnet Kroetz, hingeschrieben und ins Kuvert gesteckt an den Verlag, nix mehr dran gemacht, aha, ob es also um »das Authentische« gehe, keine Antwort, stattdessen »so beschissen, wie sie sind« seien diese Geschichten an den Verlag gegangen, welche Bedeutung denn das Authentische habe, will der Quarterback wissen, aber zu erfahren ist nur, daß »man damals auf Reise, also mit Reiseschreibmaschine« gewesen sei, »es war wunderschön«, besinnt sich der Libero Kroetz, den Kitsch übergeht Scheck, fragt nach, also im Urlaub sei das geschrieben worden, was dann nicht mehr überarbeitet worden sei, Urlaub und keine Arbeit mehr am Text, ob Kroetz denn die Arbeit am Text nicht genießen könne, da wird Kroetz nun ganz ungehalten, fast kippt der Sessel im Aufschrei »Schreiben ist Quälerei« und «Ich verachte jeden, der beim Schreiben … erfrischt ist« und bläht sich weiter künstlich auf, wer was leiste, sei immer gequält, Blut und Schweiß und Dosenbier.

Die erfrischende Bildregie der Sendung (mit Feuerlöscher in jeder Einstellung) führt Kroetz in imposanter Weise noch besser vor, als der das schauspielernd (da wird es eingeblendet, daß er in »Kir Royal« eine Rolle gespielt habe) selbst vermöchte: Hart hin und her geschnitten zwischen verschiedenen Interview-Abschnitten springt das Bild des Herrn Kroetz wild vom sich abwägend gebenden Kommentator und Sentimentalisten an den 60er- und 70er-Jahre-Erinnerungen einerseits und dem unmotiviert Tobenden andererseits. Der Mann wirkt übergeschnappt durch diese Bildregie, »Alle laufen wir mit in Richtung Quote«, wettert er eben, »Genau darüber will ich mit Ihnen reden«, versucht Scheck ins Gespräch zu finden, »Der Applaus ist wichtig geworden«, befindet Kroetz, aha, »damals war er uns scheißegal«, Schnitt, »Subvention« ist das nächste, das Herrn Kroetz plagt, eine einzige Hofburgaufregung.
Scheck konstatiert eine mediale Vielfalt, »nur nicht in den Hauptkanälen«, fügt er an, der Feuerlöscher im Hintergrund des ARD-Studios wird noch ein bißchen röter, »Volksverdummung« tost Kroetz, da hat er recht, ich wüßte aber wirklich nicht, wie mich entscheiden, stünde ich vor der Programmwahl zwischen einem noch längeren Interview mit ihm und einer Container-Staffel. Dieses Echauffieren ist entsetzlich, das dann – dank Schnittechnik genußreich gesteigert – mit einem kroetzigen »Vielen Dank, es war sehr angenehm« nicht nachvollziehbar endet.

Interruptus, der Quarterback als Buchhändler, einer der Giga-Etagen-Läden des Handels mit dem Buch, das gibt dem bildgestaltenden Kameramann Raum, läßt aparte, Buch einkaufende Damen einfangen, denen der Spielmacher die rechte Lektüre anempfiehlt: Calvino, Ulrike Draesner anno 1972, Krimi von Ruth Rendell für einen Rechtsanwalt.

Jetzt in die Champions-League: Salman Rushdie ist zu Besuch im mit Kerzen und Feuerlöscher geschmückten Studio.

Die Mode des Minimalismus in der BRD habe man nun über – und Rushdie ist ja auch ein »Maximalist«. Schöne Setzung für das etwas abgewetzte Wort »Erzähler«! Entweder man befasse sich mit einer Strähne aus dem Schopf der Göttin, so Joe Montana, oder der ganze Olymp werde ins Bild gepackt – naja, dieser Polarisierung hätte der empfohlene Calvino einiges entgegen bzw. eben zwischen zu setzen, und nicht das Magerste!

»Shalimar, der Narr« habe ihn in die Schwierigkeit gebracht, erzählt Rushdie, in solche Welten »hineinzusteigen«, wie die des Terrorismus eine sei. Davor, das zu vermitteln, hätte er sich fast gedrückt, da er sich lange Zeit nicht in diese Denkhaltung habe hineinversetzen wollen. – Es geht um die Grundthesen des islamischen Terrorismus, Rushdie ist sehr minutiös in seinen Formulierungen, die leider mehrfach in der Übersetzung plakativ plattgemacht werden, wenn beispielsweise das abwägende Wort »Reeducation« als eindeutige »Hirnwäsche« übersetzt wird. Später wird aus einem »tyrant of a foreign power« ziemlich simplifizierend ein »ausländischer Tyrann«. Da hätte die Übersetzung sich an der Ausgefeiltheit der Bildregie ein Beispiel nehmen dürfen. – Der islamische Konservativismus sei sein Thema, der die Frauen wegschließe, aus Angst vor ihnen. Und Rushdie wird ganz deutlich, »die müssen Nein sagen«, denn solange diese 50 Prozent der islamischen Welt nicht aufstünden, mache der Islamismus der Welt zu schaffen.

Keine Metaphern bei Rushdie, wenn es im Gespräch ums Politische geht: Sein Buch habe ihm zwar die Fatwa von 1989 eingebracht, es habe ihn aber durch seinen Erfolg auch gerettet, gibt Denis Scheck in kräftigem medialem Selbstbewußtsein vor, worauf Rushdie: Nein, zunächst haben Polizisten ihn gerettet – dann das Buch!

Abschließend das beliebte Bücherfleddern auf der Paketrollanlage eines Buchgrossisten, Arno Geiger und seinem »Es geht uns gut« geht es nicht gut, Ken Follett wird in den Stapel der Nicht-Entsorgten gestapelt, für »Glennkill« von Leonie Swann hat Scheck schon öfters seine Lanze gebrochen, so auch hier und jetzt, Francois Lelord erinnert Scheck an die verhaßte Stimme von Elmar Guntsch, also in den Kübel damit, Harry Potter Nr. 6 findet Gnade, Daniel Kehlmann hat Schwein, obwohl es ein Roman mit Schweinchen-Schlau-Komik sei …

Witzig ist an der inszenierten Bücher-Entsorgung ihre scheinheilige Umkehrung: Die Bücher, die Scheck dem Orkus anheimgeben will, indem er sie achtlos, nein, halt, das eben schon nicht, denn man will sie ja rollen, rutschen, stürzen sehen! – also: schnöde in einen Bücherkorb fahren läßt, diese mißratenen Machwerke werden in solch einem Bücherkorb für gewöhnlich nicht in die Mülltonne getragen, sondern im Gegenteil: sie werden ausgeliefert, in die Buchhandlungen geschafft, verkauft, an den Leser gebracht – während die von Scheck aufgestapelten Exemplare wie verschwunden und geschluckt sind unter Schecks Ärmel. – Ulkig, wie da das Bild schlauer ist als die beachsichtigte Metapher und en passant die Marktverhältnisse illustriert.

Soll ich jetzt zugeben,

daß ich im Anschluß, der Grippe geschuldet, die Kurt Krömer-Show angesehen habe? Jaaa! Hat man schon einmal so schön jemanden sich vorführen lassen, wie es hier Herrn Helmut Karasek gelungen ist? Neiiiiiin.

Klar ist es gemein, wenn man von einem perfekt auf Non-Sense ausgerichteten Rhetor, der Krömer unter allem puren Blödsinn ist, aufs Tablett gesetzt wird. Da hat einer schon beim Antritt verloren. Aber eine so schlechte Figur hat noch selten jemand gemacht, ein Drittklässler, dem man den dekorativ in der Brusttasche steckenden Bleistift herauszieht, nach dem Karasek dann 7-fach schnappt, wenn er ihn hingehalten und weggezogen und hingehalten und weggezogen und hingehalten und weggezogen bekommt von Krömer, dessen diebische Freude einem da durchaus schon zuviel werden kann vor Mitleid mit dem armen schweißtriefenden Kritikgewaltigen.

Dieses Setting muß Karasek böse ungeheuer sein. Aber warum begibt er sich auf dieses Parkett, auf dem er Sätze wie diesen über das (wirklich aller-) letzte Literarische Quartett und seine Besetzung losläßt: »Wir sind so alt zusammen wie Schiller schon tot ist.« – ist das bloß Eitelkeit? Jugendlichkeitswahn? Zwanghafte Medienpräsenz?

»Du Arsch« entfährt Krömer einmal; das sei nicht sein Vokabular – er sage da »Du ArschLOCH« ist das Schwungigste an Karasek’scher Schlagfertigkeit, und da bekommt er vom Hauspublikum einen Lacher geschenkt und strahlt wie der Bub an Weihnachten.

»Was ist Ihr Lieblingsbuch?« fragt Krömer.

»Das wechselt …« besondert sich Karasek, was zur glatten Steilvorlage gereicht:

»Ach! Wer ist denn der Autor?«

Über dem Johlen des Publikums weiß sich der Herr K. nur mit einem mokanten: »Sagen Sie doch mal, welche Autoren Sie kennen …« retten kann.

»Ein großer Applaus für Herrn Pinocchio!«

Montag, 6. Februar 2006

Thea Dorn und Denis Scheck, Fernseh-Abend

Ist es Verletzung professioneller Sorgfaltspflicht im Verlag, über ein Jahr lang die TV-Bücher-Beschwatzungen in der Nachfolge von »Bücher Bücher« und Literarischem Quartett nicht anzusehen? Hat neulich unser neuer Autor Rainer Schneider gefragt. Sorge! Aber ich kann mich rausreden:

Nein, Selbstschutz ist es und Verteidigung der Kriterien für das, was einem lieb und wichtig ist!

Nun sind mir allerdings entlang einem Grippewochenende gleich zwei Bücher-Sendungen untergekommen, die ihr Interessantes hatten: Thea Dorn, deren »Literatur im Foyer« (SW 3) André Schwarz auf einem Video im Verlag deponiert hatte, Aufzeichnung mit wer weiß welcher Motivation vom vorvergangenen Freitag, und Denis Scheck, direkt gesehen am gestrigen Sonntag in »druckfrisch« (ARD).

Anmoderierende Späße scheinen üblich bis nötig geworden zu sein: über die »kleine Nachtmusik« als Opener für große Bücher zu Mozart bei Dorn (»Mozart selbst ist leider verhindert«) und »Ihr Quarterback!« in der Bücher-Arena bezüglich Scheck – darüber lieber schnell hinweghören und -sehen. Derlei scheint des Büchermenschen Ersatz zu sein für das, was einem in Radiosendungen als immerwährender Jingle um die Ohren gehauen wird und hier wohl zu einer Art »Markenentwicklung für Kulturkritiker« eingesetzt wird. Na gut, weiter.

Auch der erste Gesprächsblock von Thea Dorn mit zwei Professoren, die Mozart-Theoretisches geschrieben haben, ist eher zum Ausschalten: Die beiden sitzen wie die zwei Alten aus der Muppetshow neben einander, dozieren über ihre Ansätze, sich Mozart zu nähern, Mozart als Um-Erfinder der Liebe sieht der eine, als Ägyptologe nähert sich der andere, professorale Legitimationsgesten allenthalben, kein Gespür unterdessen dafür, wie man Zuhörer, gar -schauer von seiner Sache begeistern könnte.

»Es gibt eine ausgeprägte Liebes-Forschung in der Germanistik, von der die Musikwissenschaftler nicht so viel wissen« führt der eine aus, »… ein großes Rätselwerk durch die Kulturgeschichte … bis zu mir!« über sein Wolferl der andere zu »labeln« (der es schafft, rund 10 Mal fetischhaft zu betonen »: ich … als Ägyptologe!«).

Dann kommt Fleisch in die Suppe. Th. Dorn liest aus einem Mozart-Brief (an dessen Vater, geschrieben 1778), den der erste Prof. seinem Buch als Motto vorangestellt hat, und man möchte umgehend diese Briefe selbst vornehmen oder zu Norbert Elias’ »Mozart«-Buch greifen – anstatt sich anhören zu müssen, daß man diesen Brief »bei einmaligem Hören gar nicht verstehen« könne – und da gesellt sich dem akademischen Dünkel rasch die Gewißheit bei: »So schnell ist das Publikum nicht.« – Danke!

Schade, es kommt zwischenhin eine Gedankenkette über Mozarts Freimaurerei-nahen Umgang mit Religion auf, es werden »Unterirdische Wissensspeicher« in Ägypten angetickt, »rasende Weiber« schweben den Herren aus Heidelberg mit einem verschämt tuenden Päuschen vor, ein »Umschlag der Aufklärung … in Despotismus« gar klingt an, weia – aber da verkauft sich Thea Dorn selbst als »rasendes Weib«, nämlich am Studiowecker, und muß, leider, leider, hier abbrechen …

Bemühte Gagigkeit der WDR-Bestenliste folgt – Menschen schauen in Bücher, aus denen der Autoren Portraitfotos rutschen. Ist das bildgerechte Vermittlung von Literatur? Sicher nicht! Die Blurbs, die da den einzelnen Büchern angedichtet und aneinandergereiht werden, sind schnell vergessen, hinterlassen keinen Eindruck. – Und so geht’s weiter zum Thema »Tod« und dem zweiten Talk-Block der Thea Dorn.

Wird sie, frage ich mich, auch in dieser Gesprächsrunde wieder die Augenbrauen zusammenziehen zu ihren meist recht rhetorischen Fragen und Einlassungen? Eine Mimik, die den Jargon der Uneigentlichkeit telegen macht, aber der »Selbstvermittlung« der Professoren den Gnadenstoß gegeben hat …

Die Einleitung, die Legitimation des Gesprächs über zwei Bücher, in denen es ums Sterben geht, ist unsäglich: »Tod kommt in der Literatur selten vor!« bekommen wir geheadlined. Wie bitte?

Braucht ein (spätnachtsöffentliches) Gespräch über Bücher wirklich in solchem Ausmaße Rechtfertigung, daß man so tun muß, als habe man endlich ein letztes Menschheitsthema aufgestöbert? … das nie dagewesen ist? … jetzt haben wir’s für Euch, die Literatur hat den Tod entdeckt? – Eine absurde Bewegung. (Und über die Legitimationsbewegungen an dieser Vermittlung von Literatur wird noch viel nachzudenken sein!)

Angetreten sind bzw. werden Nicola Bardola mit seinem Roman »Schlemm«, im schätzenswerten A1 Verlag München erschienen, und Björn Kern mit seinem Roman »Einmal noch Marseille«, beim nicht weniger geschätzten Verlag C.H.Beck erschienen.

Dieses Gespräch mutet bisweilen wie eine Werbeveranstaltung zu Vereinen für Sterbehilfe an. Bardola wirft sich ins Zeug, stilisiert sich als der Typus des aufklärerischen Autors, der ein Thema gegen das große Verschweigen verteidigt durch erzählende Öffentlichmachung, »… weniger Tabu, mehr offen sprechen« ist seine Devise: Von einem über 70jährigen Ehepaar erzählt sein Roman, der alte Ehemann hat Krebs, gemeinsam beschließen die zwei alten Leute ihren Freitod. Es hat aber etwas Albernes, wenn ein nach rund 45 Jahren Lebensalter aussehender Mensch sich »Alte« als »in Würde abschließend«e vorstellt und in den Roman rückt. Wäre da nicht die Frage der Perspektivik, der Erzählerposition zu klären gewesen? Wäre danach nicht zu fragen gewesen »im Foyer«?

Björn Kern, dessen Jugend im Gespräch immer wieder hervorgehoben wird wie ein Wunder (vor dem Hintergrund der Überalterung unserer Gesellschaft?), spricht in einer ruhigen Anteilnahme, die mir gefällt. Das mag am Zivildienst liegen, den er in einem Heim für alte Menschen absolviert habe und von dem er bewegend, aber ohne (Selbst-) Stilisierung spricht. Während »… die Kunst des Sterbens uns abhanden gekommen ist« bei Bardola und eine »Pädagogik des Sterbens, die wir vielleicht bräuchten …« erwartet wird, beginnt mich der Roman »Einmal noch Marseille« zu interessieren, in dem eine todkranke Frau aus der begleitenden Sicht ihres Sohnen gegen ihren Tod »kämpft bis zum bittersten Ende«. Die nicht »gehen will« – und die Metaphern des Sterbens häufen sich teilweise ins Kitschigste: da sitzt das Tabu, in den Formen des Sprechens! –, sondern ihre »letzten Male« auskosten möchte: die letzte Reise, die letzte Mahlzeit, die letzte selbständige Entscheidung. Björn Kern hat seine Figuren lange bedacht, scheint es, ihre Sehnsüchte, während Bardola ein Thema verkauft, nicht unsympathisch, nein, aber beim Thema bleibt, statt zu seinem Erzählen zu kommen im Gespräch.

Auffällig diese Paradigmenverschiebung: High-Tech-Medizin ist hier eine Art Teufel, der das Leben verlängert. Ich empfinde das letztlich auch so. Aber der nochmalige Aufschwung von Bardola zur Forderung nach freundlich hilfsbreiten »Sterbeämtern« (ich empfehle zur Austreibung solcher Visionarität am »Todgehen« den Besuch eines Lebendenamtes namens »Einwohnermeldeamt«, das wird ihn kurieren) bringt mich an den Anfang der Sendung zurück: Tod und Tote und Sterbende gibt es in der Literatur nun wirklich die Mengen, die muß mir die »Literatur im Foyer« nicht nachwerfen als kulturkritisches Sonderangebot – und da ist auch fast die Sendung zu Ende.

Thea Dorn, wieder mit den Augenbrauen im Kurzschluß über der Nasenwurzel vor lauter »Ich frag’ jetzt mal klug!«, bringt es nun ihrerseits auf den Punkt:

»Haben Sie denn einen Patientenausweis?« – Also für mich ist der Fall klar, sagte Kommissar Freitag abschließend immer in der Lieblingskrimiserie meiner Kindheit, und hängte an: »Und für Sie?«

Dann der »Quarterback«, der Joe Montana am Buch: Denis Scheck, in Echtzeit auf meinem Fernsehschirm … (Vor diesem Bookball-Match muß ich eine Pause einlegen!)

Sonntag, 15. Januar 2006

Noch mehr Bücher via Weblogs

Schon verrückt, wie selektive Wahrnehmung funktioniert: Kaum beschäftige ich mich mit Blogs, da pilzt das Thema aus jeder Ecke heraus! Zum Beispiel bei dem heutigen, sonntäglichen Treffen unabhängiger (eigenwilliger) Buchhandlungen und Verlage, die vor rund 4 Jahren die Buch-Besprechungs- und Buch-Bestell-Plattform www.kommbuch.com eingerichtet hatten.

Das Vehikelchen gedeiht, langsam zwar, aber doch stetig. Freilich fehlen die guten, soliden, möglichst auch reizvoll geschriebenen Buch-Besprechungen, naja, sagen wir's ruhig deutlicher: die verlockenden Buch-Besprechungen, die zum Kauf der Bücher anstacheln, empfehlen!

Aber vielleicht nicht alles auf einmal, und schon die Tatsache, daß etliche Tausend Besucher monatlich die bestehenden Buch-Empfehlungen auf Kommbuch.com ansehen, ist fantastisch – habe ich eigentlich ein Buch in der Hand gehabt, während wir mitten in der Autorenbuchhandlung Frankfurt bei diesem Gespräch zusammensaßen, mir das Sortiment angeschaut? Schande über einen, vor lauter Schlaumeierei über die Wege der Bücher zu ihren Lesern ... (K.D. Wolff vom Stroemfeld Verlag immerhin hat in einigem geblättert, neugierig Peter Careys Japan-Buch durchgestöbert zum Beispiel!)

Ich schaue mir meine Besprechung zu Andreas Heidtmanns Erzählband »Storys aus dem Baguette« (Athena Verlag) an, und bin zufrieden darüber, und bin unzufrieden, daß nicht zu mehr Lektüre was zu Papier oder in Leitung kommt. – Zurück ans Buch, Katharina Hackers neuer Roman wartet! Und unsere Inder für die Frankfurter Buchmesse auch …

Donnerstag, 12. Januar 2006

Literatur im Netz

Doch noch einmal genauer die Podiumsveranstaltung im Handelsblatt von gestern erwägen, die ich erschreckend unkonzentriert fand. Oder doch nicht?

Auf den Hinweis des Podiumsteilnehmers Don Alphonso http://www.blogbar.de, die Bloggenden als „Mikromedien“ würden die klassischen Medien (-strukturen) auflösen, gab es keine wirkliche Reaktion oder Position. Daß im Weblog-Journalismus »news« durch so etwas wie »Anregungen« ersetzt würden, keine Reaktion. Daß Blogs quasi »Persönlichkeiten« seien oder sein müßten, wollen sie denn eine gewisse Wiedererkennbarkeit, Trag- (zugegeben, heißt dann auch: Reich-) weite und Lebensdauer haben, gab es keine wirkliche Einlassung. Welche Radikalität des Kommunizierens und Marktbegriffs entsteht, wenn die Forderung »Wenn ein Unternehmen bloggt, dann muß es ALL seine Kommunikation via Bloggen machen«, das wurde gar nicht erst aufgegriffen. Die aus dem Publikum kommende Verknüpfung »Bloggen und Literatur«, wiewohl ziemlich naiv und beinahe kitschig sentimental vorgebracht, hat offenbar keinen weiteren Gedanken über »Fiktionalität vs. Faktizität« angestoßen.

Gerade hinsichtlich der Aspekte Literarizität (im Sinne von Fiktion) und »Persönlichkeit« (solcher »Phänomene« wie Blogs – oder »Figuren«) wäre da viel drin gewesen.

Grundlegend überraschend war in jedem Falle, die im Publikum (das vor allem aus Medien- und PR-, Marketing- und Werbe-Agentur-Leuten bestand) vorhandene Unkenntnis der Blog-Welt – und auf dem Podium konnte teils nicht mal das hippe englische Wörtlein dazu ohne gebrochene Zunge rausgebracht werden. Erstaunlich!

Erschreckend jedenfalls in der Konstellation, wenn die anwesenden 120 Zuhörenden, die sich einbilden, Marktbildner (für Agenturkunden und Leser) zu sein, so lämmerunbedarft sind, während bei den auf dem Podium vertretenen Groß-Institutionen am (Meinungs-) Markt Google, Yahoo und Burda, man möchte fast fürchten: konzentriert, geschwiegen wird.

Was hat das alles mit Literatur zu tun? – Imposant vor einigen Wochen das Manuskript-Angebot einer jungen Autorin, die einen »Fantasy-Roman« anbot. Gar nicht mal schlecht, aber höchstens in einigen wenigen Exemplaren verkaufbar ohne mehrköpfige Abteilung für »Jugend-Marketing« – und auf diesen Umstand hingewiesen, sagte sie, daß Buch sei ja auch eher für sie selbst gedacht, »weil's schöner ist«, während sie via eigenem Blog ihre »fanstastischen Erzähl-Fortsetzungen« in beachtlichen Kontaktzahlen an Leser bringt.

Jetzt aber mal wieder was arbeiten – LITERATUR an Leute bringen!

Mittwoch, 11. Januar 2006

Blogs als Fremdwort und Literatur

Heute fand im Gebäude des Handelsblatt in Frankfurt eine Podiumsdiskussion zum Thema »Weblogs und Journalismus« statt, auf dem Podium der berüchtigte Bloger Don Alphonso, daneben ein Mitbetreiber von Bildblog, ein Mitarbeiter von Google Deutschland, einer von Burda Medien. Es stellt sich heraus, daß die Rede von den Blogs als »Markt« völlig fehlgeht: keiner weiß ein unternehmerisches Konzept für Blogs anzugeben, abgesehen von Bannerwerbung, welche sich aber nur bei den allerwenigsten, nämlich 10.000fach am Tag heimgesuchten Blogs auszahlen kann. Mühsam wird nach Kommerzialisierungsmöglichkeiten für Blogs gefragt und gesucht.

Dieser hiesige Blog ist gerade 2 Tage alt, die handelsblätterne Diskussionsveranstaltung schien Relevanz zu haben. Echte Bedeutung bekam es, als aus dem Publikum und von Seiten Don Alphonso die Meinung aufkam, Bloggen sei Literatur: Wer blogge, wolle akommerziell eigene Inhalte bewegen, »sich ausdrücken« – kitschig gesagt –, mehr nicht.

Insofern ist der vorgestrige Kommentar interessant, Texte via offenem Mail anzubieten, dieses Angebot und Angebotene wiederum (von Verlagsseite her) offen zu kommentieren und anzunehmen oder – stärker wahrscheinlich – abzulehnen. Eine ästhetische Debatte.

Allerdings wird in den Raum der Handelsblatt-Diskussion gestellt, daß ein bloggendes Unternehmen – wie es dieser Verlag ja auch ist – tunlichst nur dann bloggen solle, wenn es seine GESAMTE Kommunikation veröffentliche, also auf das Bloggen verlegt. Uhhhh …

Jenseits solcher Überlegungen wird indes abenteuerlich klar, wie mächtig die Unkenntnis über das Medium im Medium ist, wie wenig über Bloggen selbst bei PR-Agenten und Werbetreibern gewußt wird. – ALSO:

Die unmittelbar unter diesem Beitrag stehende Eintragung stehende Funktion »KOMMENTAR« kann man als Leser, der SIE eben gerade sind, anklicken und hierdurch selbst einen Kommentar, eine Antwort, Erwiderung, ein Eigenes, und sei es ein Manuskript-Angebot, eintippen. – Wohlan!

Montag, 9. Januar 2006

Eröffnung

Einmal mehr vielen herzlichen Dank an Tommi Kunz, durch den dieser Weblog eingerichet wurde, nachdem er schon, zusammen mit Regina Roth, die Homepage des Verlags ins Netz gebracht hat.

Ein guter Tag, der eine neue Tür geöffnet hat. – Neugierig bleiben!

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